Mein Buch »Der Tote vom Iktebach«

„Die Tote vom Iktebach“gelesen von Marie-Luise Herpers

 

Eine Passage des Buches aus einer Lesung

Die Geschichte der Jülicher Bahnhöfe. So viele immer wiederkehrende Dinge, die die Menschen jeden Tag tun, dachte Hannelore. Natürlich hatte sie damit Recht.
Jeder Tag beginnt mit dem gleichen Ablauf. Im Alter braucht man eine gewisse Struktur, meinte sie. Was bin ich froh, dass ich Rentnerin bin. An den Druck des Berufslebens konnte sie sich noch gut erinnern. Obwohl ihr die Arbeit viel Freude gemacht hatte, genoss sie auch ihren Ruhestand. Alles zu seiner Zeit, dachte sie, während sie ihren Kaffee genoss und in der Zeitung blätterte. Und das war wirklich Luxus. Nicht der Kaffee versteht sich. Aber das Tagesblättchen war im Preis in den letzten Monaten unendlich gestiegen. Aber sie liebte den Geruch der Zeitung, wenn sie ausgebreitet auf dem Tisch lag. Das hatte sie schon mit ihrem Fred genossen. Der Gedanke an ihn machte sie traurig. Aber so ist das Leben. Wir alle haben unser Päckchen zu tragen. Ihre düstere Stimmung wandelte sich als Wolfgang pünktlich wie immer vor ihrer Haustüre stand. Auch sie war genau wie Zwergpinscher Herkules bereit für den nächsten Spaziergang durch Jülich. Diesmal brauchten sie, nachdem sie am Hotel drei Musketiere abbogen, nur noch gerade aus über die Adolf-Fischer-Straße. Es war nicht wirklich weit, aber es zog sich. Von weitem schon konnten sie das alte Bahnhofsgebäude sehen. Man lief direkt darauf zu. Circa 250 Meter vor dem Jülicher Bahnhof blieb Wolfgang stehen. 

An dieser Stelle war vor einigen Jahren ein neues Haus gebaut worden. Schau, Hannelore. Wolfgang zeigte auf das weiträumige Gelände hinter diesem Neubau. Dort hinten war früher der Bahnhof Jülich Nord, beziehungsweise die Station der Jülicher Kreisbahn. Es ist aber davon heute nichts mehr zu erkennen. Sie bogen rechts ab in die Verlängerung der Karthäuser Straße. Selbst, als sie der Straße ein Stück folgten, war weit und breit nichts von einem alten Bahnhof zu erkennen. Sie gingen zurück und folgten wieder der Adolf-Fischer-Straße. Nun standen sie vor dem Kuba, dem Kulturbahnhof. Das alte Bahnhofgebäude war vor vielen Jahren zweckentfremdet worden.
Zum Glück, denn so boten die alten Gemäuer nun mehr Raum für viele Veranstaltungen. Es gab Räumlichkeiten für kleinere Veranstaltungen, die Vereinsversammlungen, Vorstandssitzungen und so weiter. Aber auch größere Veranstaltungen waren durch eine vorhandene Bühne und einen Ausschank - die Jülicher waren ja ein gesälliges Völkchen - sehr gut möglich. Kanervalssitzungen mit Auftritten vieler Garden und Showtanzgruppen waren in der 5. Jahreszeit Gang und Gäbe. Da es in Jülich etliche Kanervalsvereine gab und keine andere Räumlichkeit als das Kuba war gerade im Winter immer etwas los, zumindest am Wochenende. Die früher genutzte Stadthalle war, wie so viele andere Jülicher Schätzchen in die Jahre gekommen und schon lange geschlossen. Niemand konnte die Verantwortung übernehmen, in einem derart maroden Gebäude Events zu feiern. Hannelore und Wolfgang standen vor dem alten Bahnhofgebäude und schwelgten in Erinnerungen.